Warum der geltende Leitfaden zur nachhaltigen Beschaffung in der Reinigung eine Aktualisierung braucht
Der aktuelle Leitfaden zur nachhaltigen öffentlichen Beschaffung des Umweltbundesamtes entspricht dem Stand der Technik von 2012. Daher ist es absolut notwendig, dass dieser aktualisiert wird. Das Ziel sollte dabei eine genauere Spezifizierung des Leistungsgegenstandes sein. Das gilt für den Leitfaden selbst wie für den hinterlegten Fragebogen.
Die Zielsetzung des bisherigen Leitfadens
Der geltende Leitfaden zur öffentlichen Beschafffung basiert auf dem EU-Umweltzeichen für Allzweck- und Sanitärreiniger (2011/383/EU). Er setzt sich in der geltenden Fassung folgende Ziele:
- „geringere Auswirkungen auf die Umwelt durch Begrenzung der Menge schädlicher Inhaltsstoffe, Verringerung der Reinigungsmittelmenge pro Verwendung und des Verpackungsabfalls.
- Verringerung oder Vermeidung der Gefahren für die Umwelt und die menschliche Gesundheit durch gefährliche Stoffe.“
Für die Angebotsauswertung enthält der Leitfaden zwei Anlagen: Informationen zum Anbieterfragebogen für die öffentliche Beschaffung von Wasch-, Reinigungs- und Pflegemitteln (Anlage I) sowie einen Anbieterfragebogen zur Umweltverträglichkeit der zu beschaffenden Wasch-, Reinigungs- und Pflegemittel (Anlage II).
Der Geltungsbereich des Leitfadens
Besonders im öffentlichen Beschaffungswesen besteht ein großes Potenzial für die Berücksichtigung von Umweltaspekten. So auch im Bereich der Unterhaltsreinigung von öffentlichen Gebäuden, um den es im aktuellen Leitfaden zur öffentlichen Beschaffung des Umweltbundesamtes geht. Dieser gilt speziell für „Reinigungsdienstleistungen und Reinigungsmittel in der Gebäudereinigung, mit eingeschlossen die Glas- und Unterhaltsreinigung.“
Grundsätzlich dürfen nur umwelt- und gesundheitsverträgliche Reinigungsmittel verwendet werden, die den Anforderungen von Anlage II also dem Anbieterfragebogen entsprechen. Erfüllt ein Produkt diese Anforderungen nicht, so muss eine explizite Einwilligung des Auftraggebers eingeholt werden. Sollte ein EU-Umweltlabel für ein Produkt vorliegen, gelten die Kriterien umgehend als erfüllt.
Ergänzende Hinweise zum aktuellen Anbieterfragebogen
Mit dem ausgefüllten Fragebogen soll die Leistung konkret beschrieben werden, wobei nur bestimmte Produktarten abgedeckt sind. Die Beantwortung sollte seitens des Sachbearbeiters in der Vergabestelle möglich sein, ohne das besondere technische oder chemische Fachkenntnisse vorausgesetzt werden.
Die umweltbezogenen Einzelanforderungen werden erst in der Stufe der Angebotswertung berücksichtigt. Daher muss der Auftraggeber in den Vergabeunterlagen nachvollziehbar darlegen, in welcher Weise der Anbieterfragebogen bei der Bewertung zu berücksichtigen ist. Dies muss im Verhältnis zu anderen Wirtschaftlichkeitskriterien gewichtet werden. Wobei der Preis ein entscheidendes Kriterium ist.
Anpassungen an den heutigen Stand der Technik
Um den Fragebogen auf den neuesten Stand der Technik zu bringen, müssten einige wesentliche Änderungen vorgenommen werden. Zu diesen zählen unter anderem:
- Die Hinzunahme weiterer Inhaltsstoffe. Da eine Exposition der Anwender während des Reinigungsvorgangs nicht ausgeschlossen werden kann, wurden Inhaltsstoffe mit gesundheitsschädlicher Wirkung über Hautkontakt oder beim Einatmen sowie allergene Stoffe ergänzt.
- Das Vorschreiben einer fest verbundenen Dosiervorrichtung. Diese Vorrichtung erzwingt die korrekte Dosierung, verhindert somit Verschwendung, entlastet das Abwasser und dient dem Mitarbeiterschutz.
- Die Verpflichtung zu ungefärbtem und unbedrucktem Design. Im Sinne der bestmöglichen Wiederverwertung sollen ausnahmslos farblose Materialien verwendet werden, da nur sie wieder transparente Recyclate ergeben.
- Die Verpackung im Sinne der Kreislaufwirtschaft. Der Anteil aus Recyclat von Post-Consumer-Quellen soll dabei besonders positiv bewertet werden.
- Der Verzicht auf Mikroplastik. Werden diese Partikel zum Beispiel für Trübungsmittel, Putzkörper oder Parfumkapseln verwendet, erfüllen sie keine primäre Reinigungsfunktion und sind daher gänzlich verzichtbar.
- Die Rezeptur aus regenerativen Rohstoffen. Werden kreislauffähige Reinigungsmittel aus schnell nachwachsenden Ausgangsmaterialien hergestellt, sind sie an sich schon klimaneutral.
- Die Verwendung von Öl-Derivaten zum Regenwald-Schutz. Palm(kern)öl wird weitverbreitet als waschaktiver Rohstoff genutzt und im Idealfall in GPP-Produkten eingesetzt.
- Die Sicherstellung einer nachhaltigen Produktion. Dies lässt sich über eine einheitliche und hinreichend hohe technische und ökologische Produktqualität garantieren (im Rahmen von GPP).
Auch wenn sich mit diesen Änderungen der Anspruch des öffentlichen Auftraggebers an den Leistungsgegenstand ändert – so ist das durchaus zulässig. Allerdings ist darauf zu achten, dass der Markt dadurch nicht so weit eingeschränkt wird, dass eine wettbewerbsrechtlich korrekte Vergabe ausgeschlossen ist. Mit den hinzugefügten Kriterien kann es passieren, dass ein Schwellenwert bereits relativ schnell erreicht wird. In diesem Fall sieht der Leitfaden zur öffentlichen Beschaffung folgende Lösung vor: Produkte gelten in der vorgeschriebenen Dosierung als ökologisch empfehlenswert, solange sie unterhalb dieses Grenzwertes liegen, darüber oder mit der Wertung K.O. als weniger empfehlenswert.
Einschätzung der Anpassung aus rechtlicher Sicht
Die Anpassung dürfte als Bestandteil des Leistungsverzeichnisses rechtlich zulässig sein. Es gilt das Leistungsbestimmungsrecht des Auftraggebers. Problematisch könnte allenfalls sein, dass Elemente der Leistungsbeschreibung an sich definitiv-zwingender Natur sind und anders als die Kriterien für die Angebotsauswertung Kompensationen nicht vorsehen.
Dem mag das Punktesystem des Anbieterfragebogens auf den ersten Blick widersprechen, da die Verwendung besonders umweltfreundlicher Stoffen an anderer Stelle kompensiert werden kann. Das muss aber nicht zwingend so sein, wenn mit Schwellenwerten gearbeitet und für die einzelnen Produktarten „maximal zulässige Werte“ vorgesehen sind. Die Überschreitung wäre dann als K.O.-Kriterium zu werten. Das Kriterium der Umweltverträglichkeit wäre damit als hartes Element der Leistungsbeschreibung festgelegt.
Die Punktevergabe dient somit offenbar einer flexibilisierten Definition des per se zulässigen Kriteriums der Umweltverträglichkeit, nicht aber der Angebotswertung. Somit spielt es keine Rolle, ob der Punktewert unterhalb des K.O.-Werts besonders niedrig ausfällt, das Reinigungsprodukt also besonders umweltverträglich ist. Folglich kann der Fragebogen in dieser Art durchaus in ein Vergabeverfahren eingebracht werden.
In keinem Fall darf die Leistungsbestimmung diskriminierend wirken. Das bedeutet, dass die Ausschreibung einer Produktlösung nicht zu spezifisch sein darf, sodass abweichende Produktlösungen de facto ausgeschlossen werden. Genauer könnte man die Frage der Diskriminierung allerdings nur mit einer umfassenden Marktanalyse beantworten.
Beim Einsatz des Anbieterfragebogens sollte klar hervorgehen, welche Informationen der Wertung (Transparenzangebot) dienen und wie diese letzten Endes den Kosten gegenüberstehen (Wirtschaftlichkeitsprinzip).
Sollten einzelne Anforderungen des Fragebogens in die Angebotsauswertung einfließen, dürfen keine Dopplungen im Verhältnis zu den zwingenden Anforderungen in der Leistungsbeschreibung auftreten. Wird ein bestimmter Inhaltsstoff dort beispielsweise als K.O.-Kriterium benannt, darf das Nichtvorliegen in der Angebotswertung nicht mehr positiv berücksichtigt werden.
Es dürfte sicher im Interesse von Herstellern nachhaltiger Produkten liegen, wenn umweltfreundliche Produkte zunehmend in die Angebotswertung einfließen. Allerdings erfordert dies eine umso sorgfältigere Abstimmung mit den Anforderungen des Leistungsverzeichnisses, um etwaige Widersprüche zu vermeiden.
Leitfaden und Anbieterfragebogen – Fluch und Segen zugleich?
Im öffentlichen Einkauf ist dem Thema Nachhaltigkeit wachsende Bedeutung zuzuschreiben. Von Vorteil ist beim vorliegenden Leitfaden zur öffentlichen Beschaffung mit seinem integrierten Anbieterfragebogen sicher, dass keine Vorkenntnisse benötigt werden. Voll und ganz darauf vertrauen sollten Sie allerdings nicht. Sonst besteht die Gefahr, dass nur noch das Thema Nachhaltigkeit im Fokus steht und andere wichtige Kriterien außer Acht gelassen werden.
Das Punktesystem bewährt sich als hilfreich für die Bewertung der Umweltverträglichkeit von Produkten. Das generelle Ziel des Leitfadens, die Umweltverträglichkeit beziehungsweise Umweltschädlichkeit zu überprüfen, wird somit erfüllt.
Rechtlich gesehen sind nach genauer Betrachtung keine Einwände zu erheben. Die Auswahl der Kriterien ist sinnvoll gewählt und deckt wesentliche Bereiche ab, um einen schnellen ersten Überblick zu bekommen. Die Anpassungen an den aktuellen Stand der Technik sind durchaus als Segen zu werten. Sehen Sie diesen Leitfaden daher gerne als Entscheidungshilfe an, wenn Sie Produkte unter die Lupe nehmen wollen, um sich mit einer Einschätzung mehr dafür oder dagegen zu entscheiden.