Vergleich der Umweltlabel Blauer Engel vs. Cradle to Cradle®
Um Kreislaufwirtschaft sukzessiv voranzubringen, trat zum 01.06.2012 das Kreislaufwirtschaftsgesetz des BMU (Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit) in Kraft. Ziel des Gesetzes ist es, Kreislaufwirtschaft zu fördern sowie bei der Erzeugung und Bewirtschaftung von Abfällen die Schonung natürlicher Ressourcen und den Schutz von Mensch und Umwelt sicherzustellen. Eine Novellierung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes erfolgte durch Artikel 1 des „Gesetzes zur Umsetzung der Abfallrichtlinien der Europäischen Union“, der bis Juli 2020 im deutschen Recht umzusetzen war.
Diese Novellierung sieht unter anderem vor:
- Anforderungen dahingehend zu präzisieren, dass insgesamt weniger Abfall (im Sinne von nicht mehr Verwertbarem) anfällt
- Konzepte und Programme zur Abfallvermeidung und Abfallwirtschaftskonzepten mit konkreten Maßnahmen auszubauen und zu spezifizieren
- Recyclingquoten von bestimmten Abfällen zu verbessern und die Deponierung von Abfällen zu reduzieren.
Hier finden Sie weitere Eckpunkte zur Novellierung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes.
Diesen rechtlichen Rahmen gilt es natürlich vonseiten der Privatwirtschaft sowie der öffentlichen Hand auszufüllen. Mit ihrem Anteil von rund 15 % am BIP* haben öffentliche Beschaffungen einen signifikanten Einfluss auf Unternehmen und stehen somit auch in der Verantwortung, ein nachhaltigeres Wirtschaften insgesamt und im Kontext des Kreislaufwirtschaftsgesetzes voranzutreiben.
Nachhaltigkeitsaspekte finden tatsächlich langsam Einzug in die Kriterien der öffentlichen Beschaffung, wobei seitens der Beschaffenden noch viel Unsicherheit darüber besteht, wie diese am besten zu integrieren sind. Umweltabels und Siegel können im Zuge dessen als „Leitplanken“ der Orientierung dienen, um Angebote vergleichbar zu machen. Durch sie wird die Nachhaltigkeit eines Produktes bzw. eines Herstellers messbar, denn sie kennzeichnen, dass ein Produkt definierten Nachhaltigkeitsstandards (wie der Einhaltung gewisser Emissionsgrenzen, Einsparung von Ressourcen, etc.) genügt.
So weit, so gut – doch die Labels setzen unterschiedlich hohe Standards an und nicht alle betrachten den kompletten „Lebenszyklus“ eines Produktes, bzw. alle Aspekte einer Leistung.
Einen Vergleich gängiger Umweltlabels, die für die Beschaffung von Reinigungsleistungen relevant sind, finden Sie auf diesem Portal in dem Beitrag „Welches Umweltlabel ist wirklich nachhaltig?“
Zwei davon sollen hier nochmals genauer unter die Lupe genommen werden: Der „Blaue Engel“, der sich als Umweltlabel seit seiner Einführung 1978 etabliert hat, und das weitaus jüngere Label „Cradle to Cradle® Produktstandard“, das seit 2010 vom Non-Profit-Institut Cradle to Cradle® Products Innovation Institute in San Francisco vergeben wird.
Steckbriefe der Umweltlabels
Blauer Engel und Cradle to Cradle®
Die genauen Vergabekriterien für das Blaue Engel Umweltzeichen für Handgeschirrspülmittel und Reiniger für harte Oberflächen finden Sie hier:
https://produktinfo.blauer-engel.de/uploads/criteriafile/de/DE-UZ%20194-201807-de%20Kriterien-2019-07-22.pdf
Die Cradle to Cradle® Produktstandards, die einer Zertifizierung in den Standards „Basic“ bis Platin“ zugrunde gelegt werden, sind hier zum Download bereitgestellt:
https://www.c2ccertified.org/resources/detail/cradle_to_cradle_certified_product_standard
Auf den ersten Blick suggeriert diese Übersicht, dass der Blaue Engel mehr Nachhaltigkeitskriterien einbezieht als das Cradle to Cradle® Siegel, wobei dieser Eindruck schlichtweg der Tatsache geschuldet ist, dass die Kriterien auf dem Cradle to Cradle® Portal ein wenig knapper formuliert sind. Um den Vergleich nicht zu oberflächlich zu gestalten, sollen die Siegel daher auch im Kontext der politischen Zielsetzungen im Bereich Nachhaltigkeit und somit ihrer Zukunftsfähigkeit betrachtet werden.
Die Siegel im Kontext des Kreislaufwirtschaftsgesetzes
Vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Ambitionen und Entwicklungen hin zur Kreislaufwirtschaft scheinen die Anforderungen zum Erhalt des Umweltzeichens Blauer Engel zu kurz zu greifen, um als Motivator für die Wirtschaft im Sinne dieser Zielvorgaben zu dienen. Dem Blauen Engel ist in jedem Fall seine Pionierrolle unter den Umweltlabels anzurechnen. Das Umweltzeichen hatte etwa eine Vorbildfunktion für die Entwicklung der ISO Norm 14024 als internationaler Standard für Umweltkennzeichnung**. Auch bezieht der Blaue Engel Erzeugungs- und Entsorgungs- bzw. Recyclingprozesse von Produkten durchaus mit ein.
Das weitaus jüngere Siegel Cradle to Cradle® allerdings bewertet neben der Sicherheit eines Produktes für Mensch und Umwelt auch dessen Lebenszyklus in einem Maß, das über den Anspruch der Recycling-Fähigkeit weit hinaus geht. Um das Cradle to Cradle® Siegel im Platin-Standard zu erhalten, muss ein Produkt ohne Wertverlust 100 % kreislauffähig sein. *** Die Zertifizierungsstufen des Cradle to Cradle® Siegels zielen auf die Weiterentwicklung der Wirtschaft hin zu verlustfreien Materialkreisläufen. Dieser konsequente „Umbau“ unseres Wirtschaftens ist in Anbetracht der globalen Herausforderungen im Umgang mit endlichen Ressourcen, menschengemachten Umweltbelastungen und deren Auswirkungen auf das Klima dringend geboten.
Insofern sollten sich öffentliche Beschaffer eher am Cradle to Cradle® Umweltlabel orientieren, wenn es um die Definition von Zulassungs- bzw. Zuschlagkriterien geht. Mit seiner klaren Ausrichtung zur tatsächlichen Kreislaufwirtschaft gibt es öffentlichen Beschaffern eine zuverlässige Orientierung, um ihre Signalwirkung auf Unternehmen im Sinne einer zukunftsfähigen Evolution der Wirtschaft auszuschöpfen.
Quellen:
** https://www.blauer-engel.de/de/blauer-engel/was-steckt-dahinter/umweltzeichen-mit-geschichte
*** https://www.c2ccertified.org/resources/detail/cradle_to_cradle_certified_product_standard