AVV Klima – neue Vorschrift zur nachhaltigen Beschaffung
Ab dem 01. Januar 2022 gilt die AVV Klima (Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Beschaffung klimafreundlicher Leistungen) für die Vergabe öffentlicher Aufträge durch Dienststellen des Bundes in unmittelbarer Bundesverwaltung. Mit der Verwaltungsvorschrift treten neue obligatorische Vorgaben für öffentliche Beschaffungen in Kraft, die sicherstellen sollen, dass Einkäufe der öffentlichen Hand künftig Nachhaltigkeitskriterien konsequent einbeziehen.
Hintergrund und Ziele
Bereits seit 2008 sind die Behörden des Bundes durch die sogenannte AVVEnEff dazu verpflichtet, bei Vergaben oberhalb der EU Schwellenwerte Kriterien zur Energieeffizienz der zu beschaffenden Leistung vorzugeben. Unterhalb der EU Schwelle waren die Auftraggeber bisher ebenfalls dazu angehalten, ein hohes Energieeffizienzniveau zu berücksichtigen, wobei keine konkreten Vorgaben dazu gemacht wurden.
Vor dem Hintergrund des Klimaschutzprogramms 2030 der Bundesregierung zur Umsetzung des Klimaschutzplans 2050 wurde nun die AVV-EnEff zur AVV Klima weiterentwickelt und bezieht weitere Vorgaben aus § 13 Absatz 2 des Bundesklimaschutzgesetzes mit ein. Ab Januar 2022 haben Beschaffer des Bundes nunmehr einen Vorgabenkatalog, der bei öffentlichen Einkäufen berücksichtigt werden muss. Vorerst gilt dieser nur für Dienststellen des Bundes, die so mittelfristig zur klimaneutralen Verwaltung werden sollen (§1). Wo bisher bei öffentlichen Beschaffungen vorrangig die Wirtschaftlichkeit in Bezug auf die Anschaffungskosten betrachtet wurde, zielt die AVV Klima darauf ab, den gesamten Lebenszyklus einer Leistung einzubeziehen und nach seiner CO2-Belastung einzupreisen.
Die wichtigsten Neuerungen der AVV Klima
Diese Lebenszyklus-Betrachtung beginnt bereits vor der eigentlichen Beschaffung mit der Frage, ob diese überhaupt notwendig ist. So ist zunächst zu prüfen, ob – je nach Art der Leistung – Reparatur, Gebrauchtkauf, Miete oder Leasing eine sinnvolle Alternative darstellen. Wird dennoch eine Neuanschaffung angestrebt, so sollen Energieeffizienz und verursachte Treibhausgas-Emissionen bereits an dieser Stelle mit einkalkuliert werden. Als Grundlage für diese Kostenbewertung dient der aktuelle CO2-Preis nach dem Brennstoffemissionshandelsgesetz (§2).
Basierend auf diesen Vorrecherchen soll in der Leistungsbeschreibung grundsätzlich die höchste verfügbare Effizienzklasse vorgegeben werden. Kann sie nicht erreicht werden, ist auf das höchste zu erreichende Leistungsniveau auszuweichen. Zur objektiven Vergleichbarkeit von Angeboten sollen auch Gütesiegel wie der „Blaue Engel“ oder das „Europäische Umweltzeichen“ herangezogen werden. Vor dem Hintergrund des engen Bezugs der AVV Klima auf Kreislaufwirtschaft und das KrWG (§1 (4), §2, §4 (7), S. 16, S. 23) würde sich auch das Cradle to Cradle®-Siegel anbieten. Außerdem können Bieter aufgefordert werden, eine Zertifizierung mit einem Umweltmanagementsystem nachzuweisen (§4).
Um die Kosten eines Produktes oder einer Leistung ganzheitlich zu bewerten, sind neben der reinen Anschaffung auch die Kosten für den Verbrauch, die Wartungskosten und die ggf. anfallende Entsorgung zu beachten. Lebenszykluskosten beziehen also auch externe Kosten, in Form von Umweltschäden, bewusst mit ein. So werden Treibhausgasemissionen letztlich zum ausschlaggebenden Wertungskriterium erhoben (§4). Es wird erwartet, dass dadurch teilweise höhere Investitionskosten anfallen, denen allerdings oftmals geringere Lebenszykluskosten gegenübergestellt werden können. Auch der zeitliche Mehraufwand für die Erfüllung der Vorgaben seitens der Wirtschaft wie der Verwaltungsorgane wurde kalkuliert und entsprechend eingepreist. Für beide Seiten soll dieser Mehraufwand „zumutbar“ bleiben. Komplett vermeiden lässt er sich indes nicht, wenn man dem Anspruch genügen will, dass die Verwaltung eine Leitfunktion einnimmt, die mittelfristig zu einer nachhaltigen Transformation der Wirtschaft führt.
Ebenfalls neu ist eine „Negativliste“ von Produkten und Leistungen, die aufgrund ihrer Klimaschädlichkeit gar nicht mehr beschafft werden dürfen. Dazu gehören unter anderem bestimmte Baustoffe, bestimmte Kühl-Gefrier- und Heizungsgeräte (z. B. Gasheizpilze), Einweg-Getränkeverpackungen, Einweggeschirr oder Produkte, bei denen nicht sichergestellt werden kann, dass sie kein Mikroplastik enthalten.
Überprüfbarkeit der Ziele und Fazit
Ob die vorab kalkulierten zusätzlichen Zeitaufwände (wie etwa 12 Minuten für die Berechnung der Lebenszykluskosten) und die prognostizierten Einsparungen an CO2 realistisch sind, müssen erste Evaluierungen nach Anlaufen der neuen Prozesse zeigen. Um zu überprüfen, ob und wie effizient die Verwaltungsvorschrift dazu beiträgt, öffentliche Beschaffungen klimaneutral zu gestalten, sollen nach fünf Jahren stichprobenartig die Treibhausgas-Emissionen der bezuschussten Leistungen ermittelt werden. Ebenso ist abzuwarten, ob noch bestehende Möglichkeiten zur Anwendung von Ausnahmen sinnvoll genutzt oder nicht doch überstrapaziert werden.
Für Unternehmen stellt die AVV Klima neue hohe Anforderungen. Noch besteht keine absolute Pflicht, klimarelevante Nachweise zur Eignung anzufordern, was gerade kleinen und mittelständischen Betrieben entgegenkommt, die häufig nicht über die notwendigen Zertifizierungen verfügen. Perspektivisch gesehen aber ist sie ein deutlicher Wegweiser in Richtung nachhaltiger Ausrichtung des Kerngeschäfts. Ein Impuls, der zur Erreichung der Klimaziele bereits überfällig war.